S_Biographien
16.06.1863 in Küstrin - 04.09.1942 im Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt
Religionszugehörigkeit: | jüdisch |
Ehemann: | Theodor Nathan Steinheim |
Kinder: | Josef Kurt Steinheim (Schauspieler, 20.12.1889 in Hainichen - 29.01.1918, gefallen) Hanna Gretchen (später: Grace) Stern, geb. Steinheim (Büroangestellte, 12.02.1891 in Freiberg - 05.02.1977 in Long Island, USA) Erich Albert Steinheim (Kaufmann, geb. 24.04.1892 in Freiberg) Erna Else Treitel, geb. Steinheim (geb. 23.06.1894 in Lage) Martin Steinheim (Dekorateur, geb. 10.09.1895 in Detmold), |
Wohnorte: | Küstrin 1890 Hainichen, Neumarkt (früher Hainichen Nr. 420) 18.08.1890 Freiberg, Fischerstr. 8 03.08.1892 Stettin 03.10.1894 Detmold, Lagesche Str. 36 bei Baumeister Frankfurt/Main: 22.09.1896 Frankfurt/Main, Kronprinzenstr. 38 aus Essen 29.08.1897 aus Detmold zurück 01.10.1899 Kronprinzenstr. 28 01.04.1904 Scharnhorststr. 12 23.03.1909 Ruprechtsr. 6 08.04.1932 Hanauer Landstr. 25 [1935] Leerbachstr. 104 04.01.1936 Bornwiesenweg 53 18.02.1939 Unterweg 20 07.11.1939 Wöhlerstr. 13 Bornwiesenweg 12 |
Über Therese Moseskas Lebensumstände vor ihrer Hochzeit ist aufgrund der Quellenlage nur sehr wenig zu ermitteln. Am 18. März 1889 heiratete sie Theodor Steinheim aus Heiden bei Lage und hatte mit ihm acht Kinder. Die weitaus längste Zeit verbrachte die Familie, bedingt durch die beruflichen Tätigkeiten des Ehemanns und Vaters, in Frankfurt am Main. Mit Detmold verband sie zwei Jahre. Hier wurde auch ihr Sohn Martin geboren.
Im Alter von 79 Jahren wurde Therese Steinheim zusammen mit ihrem Mann am 18. August 1942 aus einem Frankfurter jüdischen Altersheim in der Wöhlerstraße 13 mit dem Transport XII/1 Nr. 867 nach Theresienstadt deportiert. Es handelte sich um die siebte Deportation aus Frankfurt, für die nun ganze Heime aufgelöst und damit große Gebäude frei wurden. Die alten und oftmals gebrechlichen Menschen mussten sich nicht wie zuvor üblich in der Frankfurter Großmarkthalle für den Transport einfinden, sondern wurden zunächst in dem großen Altersheim im Rechneigraben 18-20 gesammelt. Von dort wurden sie mit Lastwagen zum Ostflügel der Großmarkthalle und zu dem dahinter liegenden Gleis 40 gebracht, von dem der Personenzug nach Theresienstadt abfuhr. Insgesamt umfasste dieser Transport 1.020 Menschen. Elf von ihnen überlebten den Transport aufgrund der katastrophalen Bedingungen nicht. Laut einem Zeitzeugenbericht erreichte der Zug einen Tag später bei großer Hitze Theresienstadt. Die Frauen mussten noch eine zusätzliche Qual über sich ergehen lassen, indem sie gezwungen wurden, sich nackt auszuziehen und sich den Blicken der SS-Männer auszusetzen. Die von jenem Zeitzeugen angestellte Vermutung, die Peiniger seien möglicherweise auf der Suche nach Gold und Silber gewesen, galt offenbar nur für die jüdischen Frauen.1 Nur siebzehn der mehr als eintausend Deportierten erlebten die Befreiung.
Therese Steinheim starb bereits kurze Zeit nach ihrer Ankunft in Theresienstadt am 4. September 1942. Die Todesursache wurde laut Todesfallanzeige des dortigen Ältestenrates mit Altersschwäche und Herzlähmung angegeben. Ihren Mann Theodor überlebte sie um drei Tage.
Ihr Sohn Erich wurde als sog. Aktionsjude am 12. November 1938 in Buchenwald eingeliefert (Häftlingsnummer 26081) und am 20. November 1938 dort entlassen. Am 18. Februar 1945 wurde er mit dem Transport XII/10 Nr. 164 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte und kehrte im Juni 1945 zunächst nach Frankfurt am Main zurück. Erich Steinheim emigrierte im Dezember 1946 in die USA.
Martin Steinheim wurde wie sein Bruder Erich - wie es offiziell hieß - bei der "Judenaktion vom 10.11.38" von Frankfurt nach Buchenwald (Häftlings-Nr. 29290) verschleppt, wo er erst am 6. Januar 1939 entlassen wurde. Er überlebte Verfolgung und Völkermord.
Seine Schwester Gretchen, später Grace, war verheiratet mit Jakob Stern (geb. 28.01.1886) und emigrierte ebenfalls in die USA. Dort starb sie 1977.
1 "Große Hitze. Gestern zogen die Nazis den Frauen, die aus Deutschland kamen, die Kleider aus und besahen sie nackt. Sie wollten vielleicht Gold oder Silber finden." In: Redlich (1995)
QUELLEN: StdA DT MK; Institut für Stadtgeschichte Frankfurt/Main; StdA Hainichen; StdA Freiberg; StdA Essen; www.holocaust.cz; Nationalarchiv Prag; Institut Theresienstädter Initiative; Arolsen Archives
LITERATUR: Hankemeier (2003), Kingreen (1999) und (2016)
DOKUMENTE
Todesfallanzeige für Therese Steinheim, Theresienstadt 04.09.1942 (Nationalarchiv Prag HBMa, Inv. Nr. 2596 - digitalisiert von der Theresienstadt Initiative Prag)
Inhaftierungsbescheinigung für Therese Steinheim durch das Internationale Rote Kreuz, 2. Mai 1958 (Auszug aus der Korrespondenzakte, 6.3.3.2-104398160-ITS Digital Archive, Arolsen Archives)
Sterbeurkunde für Therese Steinheim, Arolsen 28. Oktober 1958 (Auszug aus der Korrespondenzakte, 6.3.3.2-104398158-ITS Digital Archive, Arolsen Archives)
- Details
geb. 03.04.1890 in Woldenberg/Ostpreußen
Religionszugehörigkeit: | jüdisch |
1. Ehemann: | Paul Friedländer |
Ehemann: | Wilhelm Steinweg |
Töchter: | Erika Pearl, geb. Steinweg (geb. 16.07.1920) Margot Tager, geb. Friedländer (geb. 28.08.1916) |
Wohnorte: | Güstrow, Hansenstr. 15 Detmold: 10.01.1941 Hornsche Str. 33 10.12.1941 "nach Riga abgemeldet" |
Am 19. März 1913 heiratete sie den Grundstücksmakler Paul Friedländer. Sie lebte mit ihm in Güstrow, wo auch die beiden Töchter geboren wurden. Von 1929 bis 1933 betrieb sie ein Bekleidungs- und Ausstattungsgeschäft, das sie aufgrund der staatlichen Verfolgung und Ausgrenzung aufgeben musste. Ihr Ehemann starb 1939. 1941 zog sie nach Detmold und war zunächst bei Wilhelm Steinweg als Haushälterin tätig. Am 15. Mai 1941 heirateten sie. Sie arbeitete im Betrieb ihres Mannes und war offizielle Eigentümerin des Geschäftes.
Am 10. Dezember 1941 wurde sie zusammen mit ihrem Mann von Detmold nach Riga deportiert. Über ihr weiteres Schicksal liegen keine weiteren Informationen oder Dokumente vor.
1955 wurde sie vom Amtsgericht Detmold für tot erklärt. Das amtliche Todesdatum wurde auf den 31. Dezember 1945 festgesetzt.
Ihre Töchter konnten emigrieren.
QUELLEN: StdA DT MK; LAV NRW OWL D1 Nr. 6141, D 20 B Nr. 762; KAL K2 Detmold/Lemgo BEG Nr. 780, 806;ThHStAW; Arolsen Archives; ZA B 1/34 Nr. 857, 1077
WEITERE QUELLEN: LAV NRW OWL D 2 C Nr. 104,106
LZ, 16.12.1924: Geschäftseröffnungsanzeige des W. Steinweg, Detmold
Staatsanzeiger, 28.04.1926: Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Wilhelm Steinweg, Detmold
LStZ, 07.07.1935: Detmold. "Jüdische Frechheiten"
- Details
geb. 22.04.1887 in Wickede Krs. Dortmund
Religionszugehörigkeit: | jüdisch |
1.Ehefrau: | Elise Steinweg, geb. Kaufmann (18.10.1887 - 02.11.1940), Kauffrau "Manufaktur und Weiß-, Woll- und Kurzwaren", Krumme Str. 37 |
Sohn: | Leo Steinweg (geb. 06.02.1914 in Dortmund) |
Schwiegertochter: | Elise Toni Steinweg, geb. Soesmann (geb. 12.08.1916 in Haustenbeck) |
2.Ehefrau: | Erna Steinweg, gen. Friedländer, verw. Falk, geb. Joseph |
Beruf: | Stuckateur, Produktenhändler, Inh. eines Autoschrottplatzes |
Wohnorte: | Detmold: bis 1929 Krumme Str. 37 10.10.1931 Siegfriedstr. 71 01.07.1932 Krumme Str. 28 bei Cons. Verein 01.08.1935 Annastr. 81 bei Becker 22.12.1936 Hornsche Str. 33 bei Wwe. Levysohn 10.12.1941 "nach Riga abgemeldet" |
Auf der Einwohnermeldekarte der Stadt Detmold findet sich der Vermerk "Beide Großelternteile waren Volljuden".
Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Wilhelm Steinweg eine Lehre als Stuckateur. In diesem Beruf war er bis 1931 tätig. Danach betrieb er einen Autoschrottplatz in der Arminstraße 25. Das Geschäft wurde von ihm, seinem Sohn und seinem Cousin Georg Grüneberg betrieben. In der Detmolder Krummen Straße waren laut Zeugenaussage nicht nur seine Privatwohnung, sondern auch ein Altwarenhandel sowie Annahmestelle und Büro. Er hatte ab 1931 zwei Mitarbeiter, die für ihn Handel trieben. Diese fuhren mit Fahrrädern über Land und kauften Rohprodukte, die Wilhelm Steinweg abholte.
1940 starb seine erste Frau, die vom katholischen zum jüdischen Glauben übergetreten war. Am 1. Mai 1941 heiratete er Erna Friedländer, die zunächst als Haushälterin für ihn arbeitete.
Während des November-Pogroms wurde er verhaftet (als "Grund" wurde "Judenaktion vom 10.11.38" angegeben) und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert (Häftlingsnummer 29016). Dort war er laut Häftlingspersonalkarte bis zum 20. November 1938 inhaftiert. Weitere Quellen nennen hingegen den 29. November 1938 als Entlassungstag.
Ein Lagerraum seines Geschäftes wurde während dieser Ausschreitungen zerstört. Auch er musste nach der Reichspogromnacht seiner Firma liquidieren. Von 1939 bis 1941 musste er Zwangsarbeit bei der Firma Lauermann in Detmold leisten.
Wilhelm Steinweg wurde am 10. Dezember 1941 zusammen mit seiner Frau über Bielefeld nach Riga deportiert. Dort verlieren sich seine Spuren.
Er wurde 1955 vom Amtsgericht Detmold für tot erklärt. Als amtliches Todesdatum wurde der 31. Dezember 1945 festgesetzt.
Sein Sohn Leo galt als sog. Halbjude bzw. "jüdischer Mischling" und war von 1929 bis 1931 Auszubildender beim Kaufhaus Alsberg & Co. Er heiratete am 6. oder 8. März 1938 Toni Soesmann aus Haustenbeck. Nach dem November-Pogrom war er vom 12. bis 23. November 1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Zusammen mit seiner Frau wanderte er am 28. März 1939 nach Argentinien aus und lebte dort in San Fernando.
QUELLEN: StdA DT MK; LAV NRW OWL D1 Nr. 6141, D 20 B Nr. 762, D 103 Lippe Nr. 595, 596, 793; KAL K2 Detmold/Lemgo BEG Nr. 595; LATh-HStA Weimar; ZA B 1/34 Nr. 853, 857, 1077; Arolsen Archives
WEITERE QUELLEN: LAV NRW OWL D 2 C Nr. 104,106; KAL K2 Detmold/Lemgo BEG Nr. 596 (betr. Leo Steinweg)
LZ, 16.12.1924: Geschäftseröffnungsanzeige des W. Steinweg, Detmold
Staatsanzeiger, 28.04.1926: Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Wilhelm Steinweg, Detmold
LStZ, 07.07.1935: Detmold. "Jüdische Frechheiten"
DOKUMENTE
Heiratsurkunde von Wilhelm und Elise Steinweg, 09.01.1939 (StdA DT D 106 Detmold A Nr. 3942)
Mitteilung von Wilhelm Steinweg an die Polizeiliche Meldebehörde Detmold betr. der amtlich geforderten Namensänderung, 27.12.1938 (StdA DT D 106 Detmold A Nr. 3942)
Einwohnermeldekarte von Wilhelm, Elise, Leo und Erna Steinweg(StdA DT MK)
Häftlingspersonalkarte von Wilhelm Steinweg
Geldkarte von Wilhelm Steinweg im KZ Buchenwald
- Details
Rufname: Friedrich, Fritz
28.10.1894 in Münster - 10.11.1943 in Hamburg hingerichtet
Religionszugehörigkeit: | evangelisch |
Eltern: | Helene Stellbrink, geb. Kirchhoff (geb. 04.04.1862 in Hagen) und Carl Stellbrink (16.08.1855 - 08.05.1930), Oberzollsekretär |
Halbgeschwister: | Heinrich Stellbrink (1882-1900) (als Matrose ertrunken) Hilda Stellbrink (1883-1961) Helene Stellbrink (16.03.1892 in Münster - 1972), Gesellschafterin Irmgard Heiss, geb. Stellbrink (06.04.1897 in Münster - 21.04.1944 Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus, Lemgo-Brake) Magdalene Brinkmann, geb. Stellbrink (geb. 24.09.1902 in Detmold) |
Ehefrau: | Hildegard Stellbrink, geb. Dieckmeyer (geb. 19.10.1895 in Kleinendorf b. Rahden), Lehrerin |
Kinder: | Gerhard Stellbrink (13.06.1922 in Arroio do Padre, Brasilien - 1974) Gisela Stellbrink (1924 in Arroio do Padre, Brasilien, nach wenigen) Gisela Stellbrink (29.03.1925 in Arroio do Padre, Brasilien - 1982) Waltraut Stellbrink (geb. 07.01.1928 in Linha Schwerin, Brasilien) |
Pflegesöhne: | Ewald Heiss (1920 - 1940) Hugo Heiss (geb. 27.12.1921) |
Beruf: | Pastor |
Wohnorte: | Münster 15.08.1902 Detmold, Hiddeser Str. 5 25.09.1903 Detmold, Hubertusstr. 10 b. Eltern 24.04.1911 abgemeldet nach Spandau 15.05.1915 abgemeldet zum Militär 07.04.1919 Detmold, Hubertusstr. 10 02.05.1919 abgemeldet nach Soest 31.03.1920 Detmold, Hubertusstr. 10 17.05.1920 abgemeldet nach Barkhausen b. Minden 15.04.1921 abgemeldet nach Süd-Brasilien 30.03.1929 Detmold, Hubertusstr. 10 15.04.1929 abgemeldet mit Familie nach Kohlstädt b. A. Runte 1930 Steinsdorf/Thüringen 1934 Lübeck, Moislinger Allee 96 |
Die Familie Stellbrink zog 1902 nach Detmold, wo Friedrich Stellbrink ab 1904 das Gymnasium Leopoldinum besuchte. Aufgrund schlechter schulischer Leistungen entschlossen sich seine Eltern, ihn auf das "Evangelische Johannisstift" in Spandau zu schicken, das er 1913 mit der Mittleren Reife verließ. Eine Bewerbung an der Kunstakademie Düsseldorf blieb erfolglos. Friedrich Stellbrink wandte sich - auch den Vorstellungen des Vaters gemäß, der für ihn ohnehin das Amt des Auslandspfarrer vorgesehen hatte - der Theologie zu und trat 1913 in das streng geführte altpreußische landeskirchliche "Diaspora-Seminar" der altpreußischen Kirche in Soest ein, das sich als Kaderschmiede des National-Protestantismus verstand. Hier wurde er speziell für den Prediger-Dienst im Ausland vorbereitet.
Während des Ersten Weltkrieges schloss das Seminar. 1915 wurde Friedrich Stellbrink als Soldat eingezogen, 1916 wurde er verwundet und am 1. Oktober 1917 als Kriegsversehrter in Berlin entlassen. Dort lebte er im Konvikt eines Kinderrettungsvereins und befasste sich mit Mündelangelegenheiten und Adoptionen nichtehelicher Kinder. Zudem betätigte er sich als Leiter eines Männer- und Jünglingsvereins, hörte Vorlesungen an der Berliner Universität und bereitet sich auf sein Abitur vor. Nach der 1919 bestandenen Reifeprüfung kehrte er in das "Diaspora-Institut" zurück. Unter dem Eindruck der Novemberrevolution hatte sich Friedrich Stellbrink radikalisiert und stand republikfeindlichen rechtsnationalistischen Kräften nahe. So trat er völkischen und antisemitischen Vereinigungen wie dem "Deutschbund", dem "Verein für das Deutschtum im Ausland", dem "Alldeutschen Verein" und dem "Bund für Deutsche Kirche" bei. Letzterer setzte sich die völkische Erneuerung der evangelischen Kirche und deren "Reinigung" von jeglichem jüdischen Einfluss zum Ziel.
Nach der 1920 bestandenen Abschlussprüfung und Ordinierung am Predigerseminar in Soest war Friedrich Stellbrink als Vertretungspastor in Detmold tätig, bevor er sein Vikariat in Barkhausen im Synodalbezirk Minden begann. Seine national-protestantische Haltung dokumentierte er durch die Gründung des sog. Heliand Ordens, in dem er sich selbst als "Hochmeister" einsetzte.
Am 5. März 1921 heiratete er Hildegard Dieckmeyer aus Detmold. Kurz darauf siedelte er mit seiner Frau zunächst nach Arroio do Padre, 1925 nach Linha Schwerin/Mont'Alverne in Brasilien über, wo er bis 1929 als Pastor deutscher Siedler tätig war und auch das Schulamt mit versorgen musste. In Brasilien wurden auch ihre Kinder geboren. Nach einem Urlaub in Deutschland im Jahr 1929 beschloss Stellbrink, nicht wieder nach Brasilien zurückzukehren.
Friedrich Stellbrink bewarb sich um ein Pfarramt in der Thüringischen Landeskirche. 1929 bis 1934 arbeitete er als Pfarrer im Dorf Steinsdorf bei Weida. Hier beschwerten sich bald Gemeindemitglieder über sein "herrisches Wesen" und seine "politisierende Reden". Er beurteilte das Erstarken der nationalsozialistischen Bewegungen bei vielen Gelegenheiten als ausgesprochen positiv. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten begrüßte er entsprechend (Im Pfarrblatt seiner Gemeinde schrieb er 1933: "Nun ist sie da, die große Zeit! Jubelnd und dankbar wollen wir Gott loben, der unserm Volk zu den drei großen Deutschen Hermann, Luther, Bismarck den vierten geschenkt hat: Adolf Hitler, den Einiger der Deutschen!") und trat am 5. Mai 1933 der NSDAP bei.
In Steinsdorf nahmen Stellbrink und seine Frau die beiden Söhne Ewald und Hugo seiner erkrankten Schwester Irmgard Heiss als Pflegekinder auf. Ein Jahr später bewarb sich Friedrich Stellbrink erfolglos um eine Rückkehr nach Brasilien und engagierte sich nun zusehends politisch. Bei Veranstaltungen der NSDAP trat er als Redner und Prediger auf. Er übernahm die Leitung der örtlichen NS- Volkswohlfahrt (NSV), seine Frau leitete die NS-Frauenschaft. Stellbrink legte im April 1934 wegen Unstimmigkeiten mit der NSDAP-Führung in Thüringen und aus Protest u. a. wegen Streitigkeiten mit der HJ und vermutlich wegen kirchenfeindlicher Strömungen in Partei und Staat alle Parteiämter nieder.
Im Mai desselben Jahres wurde er durch den Landesbischof und NSDAP-Mitglied Erwin Balzer an die Lübecker Lutherkirche berufen, die als Hochburg der Deutschkirche (Bund für deutsche Kirche) galt. 1935 war Stellbrink für einige Monate zudem als Schriftleiter der Zeitschrift "Die Deutschkirche" tätig. Bald beschwerten sich jedoch Pastorenkollegen, die der Bekennenden Kirche nahestanden, beim Bischof über Stellbrink, da dieser die Grundlagen der evangelischen Kirche verlassen habe.
Seine nun zunehmend regimekritische Haltung, die er auch gegenüber Parteimitgliedern in Gesprächen und auch schriftlich kritisch-belehrend zum Ausdruck brachte, führten 1936/37 dazu, dass ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrebt wurde. Nach mehreren Verwarnungen seitens der Gestapo wurde Stellbrink 1937 wegen parteischädigender Kritik aus der NSDAP "entlassen". Zuvor war er aus dem "Bund für Deutsche Kirche" ausgetreten. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich seine kritische Einstellung gegenüber den Machthabern, und auch sein Nationalismus wurde mit Kriegsbeginn deutlich brüchiger. 1939 erfolgte eine weitere Verwarnung durch die Gestapo, da sich Stellbrink anlässlich des Todes eines Kollegen, der sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet hatte, eindeutig gegen Krieg und Soldatentum positionierte. Seine Ablehnung des Krieges erfuhr eine weitere Verschärfung, als sein Pflegesohn Ewald im Mai 1940 an den Folgen einer Kriegsverletzung starb.
Ab Sommer 1941 schloss sich Stellbrink überkonfessionell mit den drei katholischen Geistlichen Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller der Herz Jesu Gemeinde zusammen, die seine Beurteilung des NS-Regimes als kirchen- und christusfeindlich teilten und in denen er Gleichgesinnte fand. Sie tauschten und verbreiteten regimekritische Flugschriften, Predigten und Zeitungsberichte sowie Informationen von abgehörten sog. Feindsendern. Eine entscheidende Rolle spielte für sie der Münsteraner Bischof August von Galen, der den Terror der Gestapo anprangerte und auch durch sein öffentliches Auftreten gegen die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" bekannt wurde und die Ermordung von kranken und behinderten Menschen verurteilte. Friedrich Stellbrink traf die sog. Euthanasie persönlich in seinem familiären Umfeld, da die menschenverachtende NS-Politik, die zwischen unwertem und wertem Leben unterschied, auch seine psychisch erkrankte Schwester Irmgard - die Mutter seiner beiden Pflegesöhne - traf, die letztlich im Jahre 1944 in der Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus in Lemgo/Brake Opfer dieser Krankenmorde wurde.
Nach schweren Bombenangriffen auf Lübeck vom 28. auf den 29. März 1942 führte u. a. eine Äußerung des ohnehin bespitzelten Stellbrinks in seiner Predigt am Palmsonntag, "Gott habe mit mächtiger Stimme gesprochen" und "die Lübecker müssen wieder beten lernen" zur Anzeige bei der Gestapo. Stellbrink wurde hier unterstellt, er habe den britischen Luftangriff als eine Art Gottesgericht interpretiert. Friedrich Stellbrink wurde verhaftet und in das Gefängnis Lauerhof eingeliefert. Von der Lübecker Landeskirche wurde er umgehend vom Dienst suspendiert. Auch die Geistlichen Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller wurden zusammen mit katholischen Laien im Laufe des Frühjahrs 1942 in Untersuchungshaft genommen.
Friedrich Stellbrink wurde gemeinsam mit weiteren 19 Christen aus Lübeck im sog. Lübecker Christenprozess wegen "Wehrkraftzersetzung, landesverräterischer Feindbegünstigung" sowie wegen "Vergehen gegen das Rundfunkgesetz" und "Vergehen gegen das Heimtückegesetz" angeklagt und am 23. Juni 1943 zum Tode verurteilt. Der Prozess vor dem zweiten Senat des Volksgerichtshofs fand vom 22. bis 24. Juni 1943 im Lübecker Landgericht im Burgkloster statt. Der Volksgerichtshof war für den Prozess eigens von Berlin nach Lübeck angereist.
Hildegard Stellbrink reichte für ihren Mann ein Gnadengesuch ein, das mit Begründung, Stellbrink sei ja ein "Volksverräter", abgelehnt wurde.
Am 10. November 1943 wurde Friedrich Stellbrink zusammen mit den drei katholischen Geistlichen in Hamburg mit dem Fallbeil hingerichtet. Seine Landeskirche hatte nicht interveniert oder sich für ihn eingesetzt. Friedrich Stellbrink ist der einzige evangelische Pastor in Deutschland, an dem ein Todesurteil der NS-Justiz vollstreckt wurde.
Zwei Jahre nach seiner Hinrichtung schloss sich ein leitender Geistlicher der insbesondere von der katholischen Kirche vertretenen Deutung des Todes der vier Lübecker Geistlichen als Martyrium an. Dies war wegen Stellbrinks Haltung zur NS-Ideologie nicht unumstritten. 1959 wurde ein jährliches Gedenken der vier Hingerichteten vom Lübecker Kirchenrat beschlossen. 1993 erfolgte anlässlich des 50. Jahrestages der Hinrichtung die offizielle Aufhebung des Todesurteils, so dass Friedrich Stellbrink nun durch die nordelbische Kirche "als Zeuge der christlichen Wahrheit und Opfer eines unmenschlichen Regimes" und durch den Staat rehabilitiert war.
Als am 25. Juni 2011 die drei katholischen Geistlichen der "Lübecker Märtyrer" seliggesprochen wurden, wurde auch ausdrücklich des protestantischen Stellbrink gedacht. Die Evangelische Kirche in Deutschland erinnert im Evangelischen Namenkalender am 10. November an Friedrich Stellbrink. In der katholischen Kirche wird er im "Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts" als Märtyrer geführt.
In Hamburg, Lübeck und anderen Orten wurden Straßen nach Friedrich Stellbrink aufgrund seiner Verfolgung durch die NS-Terrorjustiz benannt. Im Untersuchungsgefängnis Hamburg würdigt ihn eine Gedenktafel.
Friedrich Stellbrink bleibt wegen seiner demokratiefeindlichen, völkisch-nationalistischen Haltung und seiner anfänglich überzeugten NSDAP-Mitgliedschaft hoch umstritten. Auch die Deutung seiner Verfolgung und seines Todes als Martyrium stößt weiterhin auf Befremden und Kritik.
Da das Todesurteil durch das NS-Unrechtsregime gefällt wurde, wird Friedrich Stellbrink hier als Opfer der NS-Justizverbrechen genannt.
QUELLEN: StdA DT MK; Archiv der Hansestadt Lübeck 05.5 Stellbrink, Karl Friedrich 155 Nr. 1, 2, 4, 7-10, 12, 13, 16-21, 32, 34, 40, 50, 54, 61, 66, 71, 76
LITERATUR: (Auswahl)
Buss (2007), (2011), (2017), Kempner (1996), Leber (1954), Linck (2013), Meyer-Rebentisch (2014), Pelke (1961), Schäfer, Josef (1946), Spolovnjak-Pridat und Siepenkort (2001), Stellbrink-Kesy (2020), Thoemmes (1994), (2012), Voswinckel (2005), (2010), (2010), (2011)
https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/karl-friedrich-stellbrink/?no_cache=1
https://www.luebeckermaertyrer.de/de/geschichte/portraet/portraet-stellbrink.html
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienK/Karl_Friedrich_Stellbrink.html
https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/ein-schwieriger-held-8477
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/pfarrer-karl-stellbrink-ein-antisemit-im-widerstand-gegen-die-nazis
https://www.gedenkstaette-lutherkirche.de/app/download/24153407/Vortrag_Stellbrink.pdf
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- Details
geb. 08.04.1922 in Detmold
Religionszugehörigkeit: | keine Angaben |
Eltern: | Maria Elisabeth Stephan, geb. Klein und August Johannes Stephan |
Wohnorte: | Detmold, Lagesche Str. (Frauenheim) Hagen-Haspe Nr. 28 Sept. 1927 Horn-Bad Meinberg (Kinderheim) |
Hans Stephan wurde im Frauenheim in Detmold geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre in Hagen-Haspe. Im September 1927 wurde er für wenige Tage im Kinderheim in Bad Meinberg untergebracht, bevor er am 20. Oktober 1927 im Alter von fünf Jahren aufgrund von mentalen Einschränkungen im Wittekindshof aufgenommen wurde. Diese Einrichtung war 1887 als "Asyl für evangelische Blöde in Westfalen" in Volmerdingsen, Bad Oeynhausen gegründet worden. Hier wurden die Eltern von Hans Stephan allerdings als "unbekannt" angegeben. Im Dezember 1932 wurde die Notwendigkeit einer Anstaltspflege für ihn dokumentiert, da "eine Förderung [...] des Kindes", wie es hieß, "nur durch Heimerziehung möglich" sei. Am 23. Juli 1937 wurde Hans Stephan aus der Schule entlassen und fortan in der Arbeitstherapie eingesetzt, wo er Stations- und Gartenarbeiten leistete. 1938 war er in der Korbmacherei beschäftigt. Immer wieder wurden ihm Diebstähle angelastet.
Am 30. November 1941 wurde Hans Stephan mit weiteren 22 Patienten in die Provinzialheilanstalt Warstein verlegt. Laut seiner Patientenakte wurde nur wenige Wochen nach seiner Verlegung, am 8. Januar 1942, eine "verstärkte Lungenzeichnung" festgestellt. Die zeitlich größer werdenden Abstände der Eintragungen verdeutlichen eindrücklich die Vernachlässigung der Patienten. So wurde erst sieben Monate später, am 12. August 1942, angegeben, dass Hans Stephan bereits seit einigen Wochen Bettruhe verordnet worden war, "um", wie vermerkt wurde, "die ewigen Unbotmäßigkeiten und Unruhe des Patienten zu steuern". Das Krankenbett verließ Hans Stephan offenbar nicht mehr. Wiederum ein halbes Jahr später findet sich in seiner Patientenakte ein Eintrag vom 15. Februar 1943, nach dem sich sein geistiger und körperlicher Zustand verschlechtert hatte und er "noch immer zu Bett" sei. Sein Zustand blieb unverändert, bis am 4. Januar 1944 vermerkt wurde, dass sich der Patient "arg verschlechterte" und sich ein "langsamer Verfall" bemerkbar machte. Eine Medikation erfolgte offenbar nicht, zumindest finden sich keinerlei Angaben dazu. Die Lungenerkrankung von Hans Stephan verstärkte sich infolge ausbleibender medizinischer Versorgung und weiterer Vernachlässigung deutlich. Erst am 15. Oktober 1944 findet sich der nächste Eintrag in seiner Akte, nach dem der Patient "körperlich immer mehr zurück gehe". Ständiges Fieber, Husten und Herzschwäche wurden wiederum erst vier Monate später dokumentiert. Am 7. März 1945 starb Hans Stephan nach jahrelanger Mangelernährung, ohne medikamentöse Versorgung und durch systematische Vernachlässigung. Als offizielle Todesursache wurde Lungen- und Drüsentuberkulose angegeben.
QUELLEN: LAV NRW OWL P 3|4 Nr. 935; LWL-Archivamt für Westfalen Best. 660; Archiv der Diakonischen Stiftung Wittekindshof
LITERATUR: Michael Spehr (2020), Bernd Walter (1996)
- Details