Q_Biographien
05.05.1899 in Detmold - 1996 in Edmonton, Kanada
Religionszugehörigkeit: | jüdisch/protestantisch |
Eltern: | Alma Boehm, geb. Blank (12.10.1864 in Coppenbrügge - 07.06.1937 in Detmold) und David Boehm (08.12.1872 in Königshütte/Schlesien - 07.09.1936 in Detmold) |
Ehemann: | Dr. Heinrich (Heinz) Quadfass, Zahnarzt (04.06.1894 in Heidelbeck) |
Söhne: | Heinz Quadfass (geb. 09.07.1925), Helge Hardy Quadfass (25.10.1927 - 01.02.2017 in Edmonton, Kanada) |
Beruf: | Einkäuferin, Krankenschwester, Rote Kreuz Schwester, Haushälterin |
Wohnorte: | Detmold, Bruchstr. 14 (seit Geburt) 15.12.1924 München, Georg Wilhelmstr. 29 [o. D.] München-Schwabing, Wiltrudenstr. 5 25.09.1931 Detmold, Bruchstr. 12 (a) 01.01.1939 Detmold, Lange Str. 16 Juli 1942 Deportation nach Theresienstadt 27.06.1945 Detmold, Goethestr. 8 15.11.1951 Edmonton, Kanada |
Erna Boehm besuchte zunächst die Bürgerschule, setzte von 1904 bis 1913 ihre Schulausbildung im Oberlyzeum in Detmold fort und wechselte anschließend für zwei Jahre an das wissenschaftliche Leverson-Internat in Hannover. Nach ihrem Schulabschluss kehrte sie zurück nach Detmold, wo sie einen Kurs an der privaten Handelsschule Häsler absolvierte. Danach besuchte sie von 1917 bis 1918 eine Krankenpflegeschule. Zudem arbeitete sie ihren eigenen Auskünften zufolge in der Textilbranche als Einkäuferin. Am 15. Dezember 1923 heiratete sie den nichtjüdischen Zahnarzt Dr. Heinrich Quadfass aus Heidelbeck (Kalletal) und zog mit ihm nach München. Zwei Jahre später wurde ihr Sohn Heinz geboren. Ihr Sohn Helge kam 1927 zur Welt. Beide Söhne wurden im christlichen Glauben erzogen. Die Ehe wurde im Februar 1931 geschieden.1 Sie kehrte mit ihrem Sohn Helge zurück nach Detmold und lebte zunächst bei ihren Eltern. Ihr Sohn Heinz hingegen blieb in München. 1937 trat Erna Quadfass wieder in die Synagogengemeinde Detmold ein, die sie mit ihrer Hochzeit verlassen hatte.
1934 fand sie eine Stelle als "Nachseherin" in der Stuckfabrik Strobel in der Orbker Straße 39 in Detmold, wo sie die Qualität der gefertigten Ware kontrollierte. Zwei Jahre später, im 1936, wurde sie entlassen. In ihrem Antrag auf Entschädigungsleistungen (LAV NRW OWL D1 BEG Nr. 3538) schilderte sie die gegen sie gerichteten Vorfälle: "Ich wurde am Fenster sitzend mit Steinen beworfen und wurde entlassen, da die Firma sonst in Schwierigkeiten geriet." Die Witwe des früheren Eigentümers gab dort an, "Nazi-Fanatiker" hätten gegen den Betrieb ihres Mannes gehetzt und Fensterscheiben der Fabrik eingeworfen, so dass sich ihr Mann gezwungen sah, Frau Quadfass zu entlassen. Eine Anstellung als Haushälterin fand Erna Quadfass bei Arthur Buchholz, der ihr - krank und selbst ebenfalls ohne Einkünfte - kein Gehalt zahlen, sondern lediglich freie Logis bieten konnte. Ihr Vater David Boehm war unterdessen an den Folgen der Haft im Konzentrationslager Esterwegen gestorben. Ihre Mutter Alma habe durch die Belastungen der Verfolgung an einem schweren Nervenleiden gelitten, sei pflegebedürftig geworden und starb ein Jahr nach dem Todes ihres Mannes. Deren Wohnung wurde daraufhin gekündigt und Erna und Helge Quadfass fanden als Juden bzw. Helge als sogenannter Halbjude keine eigene Wohnung mehr.
Zunächst bezog Erna Quadfass eine Mansardenwohnung im Haus von Arthur Buchholz. Ihren Hausstand konnte sie aufgrund der Verhältnisse nicht mehr veräußern oder auch nur weit unter Wert "verschleudern". So verschenkte sie Möbel und weiteres mehr an Gemeindemitglieder. Ihre Bemühungen, Deutschland zu verlassen unf 1939 in die USA zu fliehen, scheiterten. Als ihr Sohn Helge im April 1942 die Schule beendete, darauf eine Lehre als Landwirt begann und auf den Hof seines Lehrherrn zog, zog sie zu Arthur Buchholz in dessen Wohnung. Dort versorgte sie den Haushalt und übernahm pflegerische Aufgaben. Mit dem Wegzug ihres Sohnes entfielen die Privilegien, die sie als in "Mischehe" lebende Jüdin bislang von der Pflicht, den "Judenstern" zu tragen, befreit hatten. Ab 1. Mai 1942 musste sie ihrer Aussage zufolge den Stern tragen. In ihrem nach Kriegsende angestrengten Antrag auf Entschädigungsleitungen sah sie sich gezwungen, dies nachzuweisen. Mehrere Zeuginnen wurden dazu befragt. Zu ihnen gehörte auch Irene Hesse, die nichtjüdische Ehefrau von Ludwig Hesse und Freundin von Erna Quadfass. Sie bestätigte nicht nur deren Angaben, sondern gab in ihrer Aussage ebenfalls zu Protokoll, dass diese ihr verbliebenes Geld in ihre Kleidung einnähte, nachdem sie ihren Deportationsbescheid erhalten hatte. Ihre Aussteuer, Kleidung und die wenigen für den vorgeblichen Arbeitseinsatz erlaubten Güter, die sie sorgsam für ihren Transport verpackt hatte, sah sie - wie alle Deportierten - nie wieder. Ihren Sohn Helge musste Erna Quadfass in Deutschland zurücklassen. Sie sorgte noch dafür, dass auf dessen Lehrherrn, den Landwirt Friedrich Niemeier, die sogenannte Personensorge für ihren Sohn übertragen wurde.
Erna Quadfass und auch Arthur Buchholz wurden am 28. Juli 1942 über Bielefeld nach Theresienstadt deportiert (Transportnummer XI/1-412). Erna Quadfass pflegte den schwer kranken Arthur Buchholz auch in Theresienstadt bis zu dessen Tod. Sie selbst überlebte und wurde dort am 8. Mai 1945 befreit.
Erna Quadfass kehrte im Juni 1945 krank und mittellos zurück nach Detmold. Durch das städtische Wohnungsamt wurde ihr eine kleine Wohnung in der Goethestraße zugewiesen, wo sie aus finanzieller Not noch ein Zimmer untervermieten musste. Langwierige und zermürbende Versuche, einen neuen Hausstand und später auch Entschädigungsleistungen für das erlittene Unrecht zu erhalten, erschwerten einen Neubeginn oder überhaupt den Verbleib in Deutschland. Einen weiteren Plan, in die USA auszuwandern, setzte sie nicht in die Tat um. 1951 und damit sechs Jahre nach ihrer Rückkehr aus der Lagerhaft verließ Erna Quadfass zusammen mit ihrem Sohn Helge, der Zwangsarbeits- und Arbeitslager, Flucht und ein Leben in Illegalität überlebt hatte, Deutschland und emigrierte nach Kanada. Dort starb sie hoch betagt im Jahr 1996. Helge, der sich nun offiziell Hardy Quadfass nannte, starb dort im Alter von 89 Jahren.
1 In der Meldekarte der Stadt Detmold wurde sie allerdings als Witwe geführt.
QUELLEN : LAV NRW OWL D1 BEG Nr. 3538, D 20A Nr. 10713, D 107/84 Nr. 782; StdA DT MK; StdA München; Arolsen Archives
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