Rufname: Rolf

08.01.1935 in Detmold - 29.08.1943 in der Anstalt Eben-Ezer

Religionszu­gehörigkeit: evangelisch
Eltern: Auguste Bracht, geb. Brinkmann (geb. 31.11.1900) und Willy Bracht (geb. 20.07.1906), Schlosser
ein Bruder  
Beruf: ohne

 

Wohnorte: Detmold, Ernststr. 10
03.10.1936 Detmold, Klusstr. 39

 

Rolf Bracht war infolge einer Erkrankung im Alter von einem Vierteljahr gehbehindert und ab seinem vierten Lebensjahr auf einen Rollstuhl angewiesen. Zudem war er in seinen sprachlichen Möglichkeiten offenbar eingeschränkt.

Durch die Gesetzgebung des NS-Staates, die Menschen mit Einschränkungen als "Ballastexistenzen" diffamierte, gerieten Familien mit behinderten Kindern zusehends in eine erhebliche Zwangslage: Ab März 1941 wurde an diese Familien kein Kindergeld mehr ausgegeben. Ab September desselben Jahres war es den Behörden sogar erlaubt, den Familien, die die Unterbringung in einer Anstalt nicht zuließen, ihre Kinder wegzunehmen. Als Rolf Bracht sieben Jahre alt war, entschieden sich seine Eltern, ihn der Anstalt Eben-Ezer anzuvertrauen. Am 9. Juli 1942 wurde er dort aufgenommen und wurde im Krankenbericht u. a. als "blasses, schwächliches", aber auch "fröhliches" Kind beschrieben. Im ärztlichen Fragebogen vom 22. Juni 1942 wurde jedoch "voraussichtlich unheilbar" vermerkt.

Rolf Bracht konnte in Eben-Ezer die Anstaltsschule zunächst besuchen, in der er laut Krankenakte "lebhaften Anteil am Unterricht" nahm. Getrennt von seiner Familie und seinem Zuhause erlebte ihn seine Mutter jedoch als verzweifelt und sehr traurig. Ihr Sohn bat sie bei ihren Besuche inständig, ihn doch wieder mit nach Hause zu nehmen. Laut Krankenakte wurden seitens der Anstaltsleitung offenbar in Absprache mit der Mutter weitere Besuch "von ihm weggehalten, wie wir es ja verabredet haben". Daraufhin habe das Kind "in letzter Zeit kaum noch einmal geweint".

Am 3. Dezember 1942 wandte sich Auguste Bracht mit einem Brief an den Direktor der Anstalt Herbert Müller. Nach einem ihrer Besuche zeigte sie sich erschüttert vom Zustand ihres Sohnes: Noch nie sei ihr Sohn so traurig gewesen, zudem sei er körperlich abgezehrt. "Er ist ja wohl auch einer der unglücklichsten dort, weil sein Empfinden so gesund und er so durch seine Hilflosigkeit der Pflegebedürftigste ist", heißt es in ihrem Schreiben. Ihre Überlegungen, Rolf "zur Erholung" mit nach Hause zu nehmen, vermochte sie, offenbar auch durch Intervention der Anstaltsleitung verunsichert, nicht in die Tat umzusetzen. In der Krankenakte wurde darauf verwiesen, dass Auguste Bracht sich durch die Versorgung ihrer anderen Kinder [!] überfordert und nicht in der Lage sah, Rolf angemessen zu pflegen. Zum Zeitpunkt ihres Schreibens war sie mit ihrem zweiten Sohn schwanger, der im April des folgenden Jahres geboren wurde.

Eine fieberhafte Infektion am Anfang des Jahres 1943 schwächte Rolf Bracht zusätzlich. Am 9. Mai 1943 kollabierte er mit starkem Bluterbrechen. Es wurden Medikamente, aber auch  Nahrungsmittel wie kalte Milch und etwas Traubenzucker, der teils von seiner Mutter mitgebracht worden war, sowie Mondaminbrei verabreicht. Eine Diagnose für seine Erkrankung wurde nicht dokumentiert.

Am 25. Mai 1943 musste sich Rolf Bracht einer Operation unterziehen. Nur kurzfristig vermochte er im Juni des Jahres die Schule zu besuchen, erkrankte allerdings wiederum im Juli 1943. Von einem Besuch seiner Mutter wurde mit dem Hinweis auf ein Masernausbruch seitens der Anstalt abgeraten. Auch ihrem Wunsch vom 21. Juli 1943, ihren Sohn wieder zurückzuholen, wurde mit Hinweis auf die Ansteckungsgefahr nicht entsprochen.

Nur wenige Tage später verschlechterte sich der Zustand des ohnehin geschwächten und unterversorgten Rolf Bracht dramatisch. In einem Schreiben vom 5. August 1943 wurde seine Mutter davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr Sohn "wohl [!] eine Nierenentzündung" habe. Eine gesicherte Diagnose wurde offenbar nicht gestellt oder zumindest nicht notiert. Sein Zustand wurde in der Krankenakte am 25. August 1943 als "sehr schwach und elend" dokumentiert. Rolf Bracht läge "ganz bewusstlos" da und war nicht mehr ansprechbar. Seine Mutter wurde in einem nicht datierten Schreiben darüber informiert, dass mit dem "Ableben" ihres Sohnes " in den nächsten Stunden" zu rechnen sei.

Am 29. August 1943 starb Rolf Bracht etwa ein Jahr nach seiner Aufnahme in der Anstalt Eben-Ezer. Als offizielle Todesursache wurde akute Nierenentzündung angeben.

   

 

QUELLEN: StdA DT; Archiv der Stiftung Eben-Ezer Patientenakte Nr. 566

LITERATUR: Aly (2013), Evans (2008), Konersmann (2012)

 

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DOKUMENTE

 

Dokument 1

Meldekarte für Familie Bracht (StdA MK)

 

Dokument 2

Meldekarte für Rolf Bracht (StdA DT MK)

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