Rufname: Friedrich, Fritz

 

28.10.1894 in Münster - 10.11.1943 in Hamburg hingerichtet

 

Religionszu­gehörigkeit: evangelisch
Eltern: Helene Stellbrink, geb. Kirchhoff (geb. 04.04.1862 in Hagen) und Carl Stellbrink (16.08.1855 - 08.05.1930), Oberzollsekretär
Halbgeschwister: Heinrich Stellbrink (1882-1900) (als Matrose ertrunken)
Hilda Stellbrink (1883-1961)
Helene Stellbrink (16.03.1892 in Münster - 1972), Gesellschafterin
Irmgard Heiss, geb. Stellbrink (06.04.1897 in Münster - 21.04.1944 Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus, Lemgo-Brake)
Magdalene Brinkmann, geb. Stellbrink (geb. 24.09.1902 in Detmold)
Ehefrau: Hildegard Stellbrink, geb. Dieckmeyer (geb. 19.10.1895 in Kleinendorf b. Rahden), Lehrerin
Kinder: Gerhard Stellbrink (13.06.1922 in Arroio do Padre, Brasilien - 1974)
Gisela Stellbrink (1924 in Arroio do Padre, Brasilien, nach wenigen)
Gisela Stellbrink (29.03.1925 in Arroio do Padre, Brasilien - 1982)
Waltraut Stellbrink (geb. 07.01.1928 in Linha Schwerin, Brasilien)
Pflegesöhne: Ewald Heiss (1920 - 1940)
Hugo Heiss (geb. 27.12.1921)
Beruf: Pastor

 

Wohnorte: Münster
15.08.1902 Detmold, Hiddeser Str. 5
25.09.1903 Detmold, Hubertusstr. 10 b. Eltern
24.04.1911 abgemeldet nach Spandau
15.05.1915 abgemeldet zum Militär
07.04.1919 Detmold, Hubertusstr. 10
02.05.1919 abgemeldet nach Soest
31.03.1920 Detmold, Hubertusstr. 10
17.05.1920 abgemeldet nach Barkhausen b. Minden
15.04.1921 abgemeldet nach Süd-Brasilien
30.03.1929 Detmold, Hubertusstr. 10
15.04.1929 abgemeldet mit Familie nach Kohlstädt b. A. Runte
1930 Steinsdorf/Thüringen
1934 Lübeck, Moislinger Allee 96

 

Die Familie Stellbrink zog 1902 nach Detmold, wo Friedrich Stellbrink ab 1904 das Gymnasium Leopoldinum besuchte. Aufgrund schlechter schulischer Leistungen entschlossen sich seine Eltern, ihn auf das "Evangelische Johannisstift" in Spandau zu schicken, das er 1913 mit der Mittleren Reife verließ. Eine Bewerbung an der Kunstakademie Düsseldorf blieb erfolglos. Friedrich Stellbrink wandte sich - auch den Vorstellungen des Vaters gemäß, der für ihn ohnehin das Amt des Auslandspfarrer vorgesehen hatte - der Theologie zu und trat 1913 in das streng geführte altpreußische landeskirchliche "Diaspora-Seminar" der altpreußischen Kirche in Soest ein, das sich als Kaderschmiede des National-Protestantismus verstand. Hier wurde er speziell für den Prediger-Dienst im Ausland vorbereitet.

Während des Ersten Weltkrieges schloss das Seminar. 1915 wurde Friedrich Stellbrink als Soldat eingezogen, 1916 wurde er verwundet und am 1. Oktober 1917 als Kriegsversehrter in Berlin entlassen. Dort lebte er im Konvikt eines Kinderrettungsvereins und befasste sich mit Mündelangelegenheiten und Adoptionen nichtehelicher Kinder. Zudem betätigte er sich als Leiter eines Männer- und Jünglingsvereins, hörte Vorlesungen an der Berliner Universität und bereitet sich auf sein Abitur vor. Nach der 1919 bestandenen Reifeprüfung kehrte er in das "Diaspora-Institut" zurück. Unter dem Eindruck der Novemberrevolution hatte sich Friedrich Stellbrink radikalisiert und stand republikfeindlichen rechtsnationalistischen Kräften nahe. So trat er völkischen und antisemitischen Vereinigungen wie dem "Deutschbund", dem "Verein für das Deutschtum im Ausland", dem "Alldeutschen Verein" und dem "Bund für Deutsche Kirche" bei. Letzterer setzte sich die völkische Erneuerung der evangelischen Kirche und deren "Reinigung" von jeglichem jüdischen Einfluss zum Ziel.

Nach der 1920 bestandenen Abschlussprüfung und Ordinierung am Predigerseminar in Soest war Friedrich Stellbrink als Vertretungspastor in Detmold tätig, bevor er sein Vikariat in Barkhausen im Synodalbezirk Minden begann. Seine national-protestantische Haltung dokumentierte er durch die Gründung des sog. Heliand Ordens, in dem er sich selbst als "Hochmeister" einsetzte.

Am 5. März 1921 heiratete er Hildegard Dieckmeyer aus Detmold. Kurz darauf siedelte er mit seiner Frau zunächst nach Arroio do Padre, 1925 nach Linha Schwerin/Mont'Alverne in Brasilien über, wo er bis 1929 als Pastor deutscher Siedler tätig war und auch das Schulamt mit versorgen musste. In Brasilien wurden auch ihre Kinder geboren. Nach einem Urlaub in Deutschland im Jahr 1929 beschloss Stellbrink, nicht wieder nach Brasilien zurückzukehren.

Friedrich Stellbrink bewarb sich um ein Pfarramt in der Thüringischen Landeskirche. 1929 bis 1934 arbeitete er als Pfarrer im Dorf Steinsdorf bei Weida. Hier beschwerten sich bald Gemeindemitglieder über sein "herrisches Wesen" und seine "politisierende Reden". Er beurteilte das Erstarken der nationalsozialistischen Bewegungen bei vielen Gelegenheiten als ausgesprochen positiv. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten begrüßte er entsprechend (Im Pfarrblatt seiner Gemeinde schrieb er 1933: "Nun ist sie da, die große Zeit! Jubelnd und dankbar wollen wir Gott loben, der unserm Volk zu den drei großen Deutschen Hermann, Luther, Bismarck den vierten geschenkt hat: Adolf Hitler, den Einiger der Deutschen!") und trat am 5. Mai 1933 der NSDAP bei.

In Steinsdorf nahmen Stellbrink und seine Frau die beiden Söhne Ewald und Hugo seiner erkrankten Schwester Irmgard Heiss als Pflegekinder auf. Ein Jahr später bewarb sich Friedrich Stellbrink erfolglos um eine Rückkehr nach Brasilien und engagierte sich nun zusehends politisch. Bei Veranstaltungen der NSDAP trat er als Redner und Prediger auf. Er übernahm die Leitung der örtlichen NS- Volkswohlfahrt (NSV), seine Frau leitete die NS-Frauenschaft. Stellbrink legte im April 1934 wegen Unstimmigkeiten mit der NSDAP-Führung in Thüringen und aus Protest u. a. wegen Streitigkeiten mit der HJ und vermutlich wegen kirchenfeindlicher Strömungen in Partei und Staat alle Parteiämter nieder.

Im Mai desselben Jahres wurde er durch den Landesbischof und NSDAP-Mitglied Erwin Balzer an die Lübecker Lutherkirche berufen, die als Hochburg der Deutschkirche (Bund für deutsche Kirche) galt. 1935 war Stellbrink für einige Monate zudem als Schriftleiter der Zeitschrift "Die Deutschkirche" tätig. Bald beschwerten sich jedoch Pastorenkollegen, die der Bekennenden Kirche nahestanden, beim Bischof über Stellbrink, da dieser die Grundlagen der evangelischen Kirche verlassen habe.

Seine nun zunehmend regimekritische Haltung, die er auch gegenüber Parteimitgliedern in Gesprächen und auch schriftlich kritisch-belehrend zum Ausdruck brachte, führten 1936/37 dazu, dass ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrebt wurde. Nach mehreren Verwarnungen seitens der Gestapo wurde Stellbrink 1937 wegen parteischädigender Kritik aus der NSDAP "entlassen". Zuvor war er aus dem "Bund für Deutsche Kirche" ausgetreten. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich seine kritische Einstellung gegenüber den Machthabern, und auch sein Nationalismus wurde mit Kriegsbeginn deutlich brüchiger. 1939 erfolgte eine weitere Verwarnung durch die Gestapo, da sich Stellbrink anlässlich des Todes eines Kollegen, der sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet hatte, eindeutig gegen Krieg und Soldatentum positionierte. Seine Ablehnung des Krieges erfuhr eine weitere Verschärfung, als sein Pflegesohn Ewald im Mai 1940 an den Folgen einer Kriegsverletzung starb.

Ab Sommer 1941 schloss sich Stellbrink überkonfessionell mit den drei katholischen Geistlichen Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller der Herz Jesu Gemeinde zusammen, die seine Beurteilung des NS-Regimes als kirchen- und christusfeindlich teilten und in denen er Gleichgesinnte fand. Sie tauschten und verbreiteten regimekritische Flugschriften, Predigten und Zeitungsberichte sowie Informationen von abgehörten sog. Feindsendern. Eine entscheidende Rolle spielte für sie der Münsteraner Bischof August von Galen, der den Terror der Gestapo anprangerte und auch durch sein öffentliches Auftreten gegen die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" bekannt wurde und die Ermordung von kranken und behinderten Menschen verurteilte. Friedrich Stellbrink traf die sog. Euthanasie persönlich in seinem familiären Umfeld, da die menschenverachtende NS-Politik, die zwischen unwertem und wertem Leben unterschied, auch seine psychisch erkrankte Schwester Irmgard - die Mutter seiner beiden Pflegesöhne - traf, die letztlich im Jahre 1944 in der Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus in Lemgo/Brake Opfer dieser Krankenmorde wurde.

Nach schweren Bombenangriffen auf Lübeck vom 28. auf den 29. März 1942 führte u. a. eine Äußerung des ohnehin bespitzelten Stellbrinks in seiner Predigt am Palmsonntag, "Gott habe mit mächtiger Stimme gesprochen" und "die Lübecker müssen wieder beten lernen" zur Anzeige bei der Gestapo. Stellbrink wurde hier unterstellt, er habe den britischen Luftangriff als eine Art Gottesgericht interpretiert. Friedrich Stellbrink wurde verhaftet und in das Gefängnis Lauerhof eingeliefert. Von der Lübecker Landeskirche wurde er umgehend vom Dienst suspendiert. Auch die Geistlichen Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller wurden zusammen mit katholischen Laien im Laufe des Frühjahrs 1942 in Untersuchungshaft genommen.

Friedrich Stellbrink wurde gemeinsam mit weiteren 19 Christen aus Lübeck im sog. Lübecker Christenprozess wegen "Wehrkraftzersetzung, landesverräterischer Feindbegünstigung" sowie wegen "Vergehen gegen das Rundfunkgesetz" und "Vergehen gegen das Heimtückegesetz" angeklagt und am 23. Juni 1943 zum Tode verurteilt. Der Prozess vor dem zweiten Senat des Volksgerichtshofs fand vom 22. bis 24. Juni 1943 im Lübecker Landgericht im Burgkloster statt. Der Volksgerichtshof war für den Prozess eigens von Berlin nach Lübeck angereist.

Hildegard Stellbrink reichte für ihren Mann ein Gnadengesuch ein, das mit Begründung, Stellbrink sei ja ein "Volksverräter", abgelehnt wurde.

Am 10. November 1943 wurde Friedrich Stellbrink zusammen mit den drei katholischen Geistlichen in Hamburg mit dem Fallbeil hingerichtet. Seine Landeskirche hatte nicht interveniert oder sich für ihn eingesetzt. Friedrich Stellbrink ist der einzige evangelische Pastor in Deutschland, an dem ein Todesurteil der NS-Justiz vollstreckt wurde.

Zwei Jahre nach seiner Hinrichtung schloss sich ein leitender Geistlicher der insbesondere von der katholischen Kirche vertretenen Deutung des Todes der vier Lübecker Geistlichen als Martyrium an. Dies war wegen Stellbrinks Haltung zur NS-Ideologie nicht unumstritten. 1959 wurde ein jährliches Gedenken der vier Hingerichteten vom Lübecker Kirchenrat beschlossen. 1993 erfolgte anlässlich des 50. Jahrestages der Hinrichtung die offizielle Aufhebung des Todesurteils, so dass Friedrich Stellbrink nun durch die nordelbische Kirche "als Zeuge der christlichen Wahrheit und Opfer eines unmenschlichen Regimes" und durch den Staat rehabilitiert war.

Als am 25. Juni 2011 die drei katholischen Geistlichen der "Lübecker Märtyrer" seliggesprochen wurden, wurde auch ausdrücklich des protestantischen Stellbrink gedacht. Die Evangelische Kirche in Deutschland erinnert im Evangelischen Namenkalender am 10. November an Friedrich Stellbrink. In der katholischen Kirche wird er im "Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts" als Märtyrer geführt.

In Hamburg, Lübeck und anderen Orten wurden Straßen nach Friedrich Stellbrink aufgrund seiner Verfolgung durch die NS-Terrorjustiz benannt. Im Untersuchungsgefängnis Hamburg würdigt ihn eine Gedenktafel.

Friedrich Stellbrink bleibt wegen seiner demokratiefeindlichen, völkisch-nationalistischen Haltung und seiner anfänglich überzeugten NSDAP-Mitgliedschaft hoch umstritten. Auch die Deutung seiner Verfolgung und seines Todes als Martyrium stößt weiterhin auf Befremden und Kritik.

Da das Todesurteil durch das NS-Unrechtsregime gefällt wurde, wird Friedrich Stellbrink hier als Opfer der NS-Justizverbrechen genannt.

 

   

QUELLEN: StdA DT MK; Archiv der Hansestadt Lübeck 05.5 Stellbrink, Karl Friedrich 155 Nr. 1, 2, 4, 7-10, 12, 13, 16-21, 32, 34, 40, 50, 54, 61, 66, 71, 76

LITERATUR: (Auswahl)
Buss (2007), (2011), (2017), Kempner (1996), Leber (1954), Linck (2013), Meyer-Rebentisch (2014), Pelke (1961), Schäfer, Josef (1946), Spolovnjak-Pridat und Siepenkort (2001), Stellbrink-Kesy (2020), Thoemmes (1994), (2012), Voswinckel (2005), (2010), (2010), (2011)

https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/karl-friedrich-stellbrink/?no_cache=1
https://www.luebeckermaertyrer.de/de/geschichte/portraet/portraet-stellbrink.html
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienK/Karl_Friedrich_Stellbrink.html
https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/ein-schwieriger-held-8477
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/pfarrer-karl-stellbrink-ein-antisemit-im-widerstand-gegen-die-nazis
https://www.gedenkstaette-lutherkirche.de/app/download/24153407/Vortrag_Stellbrink.pdf

 

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Portrait: STELLBRINK, Karl Friedrich

Karl Friedrich Stellbrink, ca. 1942 (Foto Sammlung Barbara Stellbrink-Kesy)

 

DOKUMENTE

 

Dokument 1

Meldekarte für Familie Stellbrink (StdA DT MK)

 

Dokument 2

Meldekarte für Friedrich Stellbrink (StdA DT MK)

 

Dokument 3

Meldekarte für Familie Stellbrink (StdA DT MK)

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