geb. 16.11.1888 in Kirchhain

Religionszu­gehörigkeit: jüdisch
Eltern: Jehuda Rülf und Karoline Rülf, geb. Schuster
Ehefrau: Erika Rülf, geb. Lyon
Kinder: Herbert Rülf (geb. 17.4.1916 in Detmold)
Karoline Hanna Timna, geb. Rülf (geb. 8.10.1918 in Detmold)
Erich Rülf (geb. 12.6.1921 in Detmold)
Beruf: Lehrer, Kantor, Prediger, Diplomvolkswirt

 

Wohnorte: Detmold:
10.10.1931 Elisabethstr. 24
03.10.1933 Sachsenstr. 25 bei Buchholz
31.12.1937 nach Köln-Lindenthal, Lützowstr. 35/37 abgemeldet
Köln, St. Apern Str. 29/31 (sog. Judenhaus)

 

Nach dem Tod seines Vaters gab ihn seine Mutter, die sich nun um fünf Kindern allein kümmern musste, in das Israelitische Waisenhaus in Kassel. Dort besuchte Moritz Rülf die jüdische Seminarschule und bis 1906 die Präparandenanstalt in Burgpreppach. Nach seinem Studium an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Kassel arbeitete Moritz Rülf an der Israelitischen Erziehungsanstalt (Gartenbauschule) in Ahlem bei Hannover, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte. 1914 kam er als Prediger und Lehrer nach Detmold, wo er nicht nur in der Stadt selbst arbeitete, sondern auch in weiteren lippischen Gemeinden. Ab 1915 oblag ihm zudem die Revision der jüdischen Religionsschulen in Lippe. Bis 1937 leitete er den Gottesdienst in der Synagoge in der Lortzingstraße. Nicht nur in Detmold, sondern auch in anderen Orten Lippes, erteilte er als "Wanderlehrer" Religionsunterricht für die jüdischen Schülerinnen und Schüler. Von 1919 bis 1922 arbeitete er als Lehrer an der Knabenbürgerschule und von 1922 bis 1933 an der Staatlichen Fortbildungsschule (Berufsschule) in Detmold. Des weiteren hatte er die Leitung des jüdischen Jugendbundes inne, und 1932 übernahm er die Position des Schriftführers des Israelitischen Gemeindetages für den Freitstaat Lippe.

Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund, die Deutschnationale Volkspartei und der damals in Detmold lebende Schriftsteller Fischer-Friesenhausen initiierten eine antisemitische Hetzkampagne, als Moritz Rülf als beamteter Lehrer am Leopoldinum in den staatlichen Schuldienst des Landes Lippe übernommen werden sollte. Einige Male befassten sich die Gerichte sowie der lippische Landtag mit diesen Vorfällen.

1933 erfolgte Rülfs Suspendierung vom Dienst. Vom 4. bis 10. Mai 1933 wurde er in sog. Schutzhaft genommen. Der Kreisleiter Wedderwille und der SS-Hauptsturmführer Josef (Jürgen) Stroop zwangen ihn in der Gefängniszelle zu einer schriftlichen Erklärung, durch die er auf alle Ansprüche an den lippischen Staat verzichtete.
Danach erteilte Rülf wiederum als "Wanderlehrer" jüdischen Schülerinnen und Schülern in Lippe Religionsunterricht. Denunzianten verfolgten jeden seiner Schritte. Auch seine Frau und seine Kinder sahen sich zunsehends antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Moritz Rülf legte zum 31. Dezember 1937 sein Amt als Prediger der Synagogengemeinde nieder und verließ Detmold, um zum 1. Januar 1938 in Köln in der Lützowstraße Direktor des Israelitischen Kinderheimes zu werden. Dort waren 130 jüdische Waisen untergebracht waren.

Durch seine Geldkarte aus Buchenwald (Häftlingsnummer 21405) wird dokumentiert, dass er dort im Zuge der Ausschreitungen der Reichspogromnacht inhaftiert war. Eine Emigration lehnte Moritz Rülf ab, möglicherweise da die Behörden ihm nicht erlaubten, die ihm anvertrauten Kinder mitzunehmen. Diese wurden am 20. Juli 1942 aus Köln mit dem Sonderzg Da 219 nach Minsk in das Vernichtungslager bzw. Vernichtungsstätte Maly Trostinec deportiert, wo sie am 24. Juli 1942 eintrafen. Auf diesem Transport befanden sich 1164 Menschen, darunter 118 Kinder unter zehn Jahren. Auch Erika und Moritz Rülf wurden an diesem Tag nach Maly Trostinec deportiert und begleiteten damit ihre Schutzbefohlenen in diese Vernichtungsstätte.

Als sich das Amt für Wiedergutmachung Köln in den Jahren 1958 und 1959 an den Internationalen Suchdienst Arolsen wegen einer Inhaftierungsbescheinigung für Erika und Moritz Rülf wandte, wurde noch Theresienstadt als Deportationsort angegeben, was vermutlich der damaligen Quellenlage und dem entsprechenden Kenntnisstand geschuldet war.

Nur wenige Menschen aus diesen Transporten (zwischen 20 und 50 Personen pro Transport), die von Mai bis Oktober 1942 nach Minsk führten, wurden ins dortige Arbeitslager verschleppt. Alle anderen wurden bei ihrer Ankunft am Minsker Bahnhof umgehend auf Lastwagen verladen und zu den Mordstätten in den nahegelegenen Wäldern von Schaschkowa und Blagowschtschina gebracht und dort von Schutzpolizisten und Angehörigen der Waffen-SS erschossen oder in Gaswagen auf dem Weg dorthin ermordet. Schätzungen zufolge wurden zwischen 1942 und 1944 bei Maly Trostinec 40.000 bis 60.000 Menschen, überwiegend Jüdinnen und Juden, Kriegsgefangene und Partisanen, vergast oder erschossen. Es ist davon auszugehen, dass auch das Ehepaar Rülf zu den Menschen gehörte, die umgehend nach ihrer Ankunft ermordet wurden.


Moritz Rülf wurde für tot erklärt. Als amtliches Todesdatum wurde der 8. Mai 1945 festgesetzt.

Seine Kinder konnten nach Palästina und damit dem Völkermord entkommen.

   

QUELLEN: StdA DT MK; LAV NRW OWL D 1 Nr. 6141, D 22 DT Zug. 31/86 Vorl. Aufnahmen, Schutzhaftgefangene, D 87 Nr. 25-27; NS-Dokumentationszentrum Köln; ZA B 1/34 Nr. 781, 796, 838, 840, 856, 857, 861, 887, 971, 1061; Arolsen Archives

WEITERE QUELLEN: LZ, 31.12.1914: Verlobungsanzeige
Erika Lyon, Hamburg und Moritz Rülf, Detmold
z.Zt. Hamburg
LZ , 17.04.1916: Geburtsanzeige eines "gesunden Jungen" von Prediger Moritz Rülf und Erika, geb. Lyon
LZ, 05.10.1918: Todesanzeige der Karoline Rülf (65), geb. Schuster durch Moritz Rülf
LZ, 11.10.1918: Geburtsanzeige eines "Töchterchens" durch Moritz Rülf und Frau Erika
LTZ, 17.7.1919: Sprechsaal. "Zur Anstellung eines israelitischen Lehrers..."
ebda.:"Lippischer Landtag"
Wiedergabe der Debatte vom 15.07.1919 zum Einspruch gegen Rülfs Berufung an die Knabenbürgerschule in Detmold
LTZ , 18.07.1919: Sprechsaal. "Berichtigung und Ergänzung der Mitteilungen über die Anstallung des jüdischen Lehrers..."
LZ, 14.06.1921: Geburtsanzeige eines "Knaben" durch Moritz Rülf und Frau Erika
Lipp. Kalender 1933
"Die Geschichte der Juden in Lippe" von Dipl.-Volkswirt Rülf, Detmold, S.69-73
LK, 28.04.1933: "Weitere Entlassungen und Beurlaubungen"


LITERATUR: Hartmann (2009), Müller (1988)
Zu Stroop: Müller (1992), Müller (1998), Müller (2008)
Zur Deportation von Köln nach Minsk am 20.07.1942: Dieter Corbach (1992)

 

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Portrait: RÜLF, Moritz

Moritz Rülf, o.J. (StdA DT DT V 19 Nr. 176)

 

DOKUMENTE

 

Dokument 1

Einwohnermeldekarte von Moritz, Erika, Herbert, Karla und Erich Rülf (StdA DT MK)

 

Dokument 2

Verzichtserklärung von Moritz Rülf

 

Dokument 3

Geldkarte aus dem KZ Buchenwald von Moritz Rülf

 

Dokument 4

Brief über das Rote Kreuz von Moritz Rülf an seinen Sohn Herbert,30.1.1942

 

Dokument 5

Auszug aus der Korrespondenz zu Moritz Rülf

 

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